Rücktritt, Anfechtung und Kündigung

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Es lohnt sich, die Entscheidung des Versicherers zu hinterfragen!

Im Versicherungsfall werden Versicherungskonzerne mitunter höchst kreativ, um sich ihrer Leistungspflicht ganz oder teilweise zu entziehen. Noch bevor der Sachbearbeiter die Leistungsvoraussetzungen prüft, wird meist der zugrunde liegende Vertrag meist auf mögliche Schwachstellen untersucht. Stellt sich dabei heraus, dass der Versicherungsvertrag angreifbar ist (zum Beispiel, weil die Gesundheitsfragen vor Vertragsschluss nicht vollständig oder fehlerhaft beantwortet wurden), macht der Versicherer in der Regel von den ihm zustehenden Gestaltungsrechten Gebrauch, um sich von dem Vertrag zu lösen.

Meist wird der Versicherer in diesen Fällen den Rücktritt vom Versicherungsvertrag nach § 19 Abs. 2 VVG erklären. Der Rücktritt führt zu einer Rückabwicklung des Vertrages. Bisher noch nicht erfüllte Leistungsansprüche erlöschen damit („rechtsvernichtende Einwendungen“). Damit der Versicherer wirksam den Rücktritt erklären kann, muss er dem Versicherungsnehmer eine vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Verletzung der Anzeigeflicht vorwerfen. Der Versicherer muss also darlegen und beweisen, dass der Versicherungsnehmer die Fragen des Versicherers vor Vertragsschluss vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig falsch beantwortet hat. Dabei steht dem Versicherer das Rücktrittsrecht nur zu, wenn er vor Vertragsschluss durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Werden diese strengen gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet, ist der Rücktritt unwirksam. Da diese strengen formalen Voraussetzungen ein erhebliches Fehlerpotenzial in sich bergen, sollte nicht jeder Vertragsrücktritt und jede Kündigung widerspruchslos hingenommen werden.

Ein Anwalt wird in solchen Fällen prüfen, ob objektiv eine Obliegenheitsverletzung gegeben ist. Nur wenn der Versicherer vor Vertragsschluss schriftlich nach einem konkreten Umstand (z.B. einer Erkrankung) gefragt hatte und dieser verschwiegen wurde, kann überhaupt eine Obliegenheitsverletzung vorliegen. Ist dies der Fall, sollte weiter geprüft werden, ob die Rechtsfolgenbelehrung vollständig und zutreffend erfolgt ist. Hier können bereits kleine Unstimmigkeiten zur Nichtigkeit führen, sodass eine Obliegenheitsverletzung rechtsfolgenlos bleiben muss. Auch wenn die Obliegenheitsverletzung bereits länger als fünf Jahre zurückliegt, bleibt für eine Kündigung oder einen Vertragsrücktritt kein Raum.

Die Gestaltungsrechte des Versicherers müssen auch fristgerecht ausgeübt worden sein. § 21 Abs. 1 VVG sieht vor, dass der Versicherer die ihm zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen muss. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt hat. Wird der Rücktritt nicht fristgerecht erklärt, bleibt die Obliegenheitsverletzung auch aus diesem Grund folgenfrei.

Letztlich kann sich der Versicherer auch nur dann vom Vertrag lösen, wenn er nachweist, dass er den Vertrag unter so nicht abgeschlossen hätte. Da ein Rücktritt nur bei einer vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung in Betracht kommt, darf der Versicherer den Rücktritt nicht erklären, wenn ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erkennbar ist oder lediglich eine einfache Fahrlässigkeit vorliegt. Dies zu beweisen, obliegt dem Versicherungsnehmer.

Unabhängig von Rücktritt und Kündigung kann sich der Versicherer auch der Anfechtung nach § 22 VVG in Verbindung mit § 123 BGB bedienen. Eine Vertragsanfechtung ist binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt zu erklären, in welchem der Versicherer die Täuschung entdeckt hat. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

In der Praxis gelingt es jedoch vergleichsweise selten, das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu beweisen. Hierzu muss der Versicherer nämlich darlegen und beweisen, dass der Versicherungsnehmer bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses arglistig gehandelt hat. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bewusst vorsätzlich eine Täuschung zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums zum Nachteil des Versicherers vorgenommen haben müsste. Dieser Beweis ist durch den Versicherer in der Regel nur schwer zu führen.

Nach unserer Erfahrung ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Kündigungen, Rücktritte und Anfechtungen bereits aus formalen Gründen unwirksam ist. Aus diesem Grund sollten Sie eine solche Entscheidung Ihrer Versicherung nicht widerspruchslos akzeptieren. Eine genaue Prüfung zahlt sich aus!

Ihr Rechtsanwalt – Jürgen Wahl
Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht

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